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Heilmittel (Logopädie, Ergotherapie, Physiotherapie)

 
Liebe Eltern,

 
da es immer wieder zu  Missverständnissen rund um die Heilmitteltherapien Logopädie,  Ergotherapie und Physiotherapie kommt, versuche ich auf dieser Seite ein  wenig mehr Klarheit in dieses schwierige Thema zu bringen.


  
Definition:

„HEILMITTEL“ sind  Verordnungen zur Physiotherapie (Massagen/Krankengymnastik), Logopädie  (Sprachheilbehandlung) oder Ergotherapie (Arbeits- und  Beschäftigungstherapie). Nur ein Arzt darf die Indikation für  die Behandlung stellen und nur er darf diese  Verordnungen ausstellen. Dieses ist in der Heilmittelrichtlinie (https://www.g-ba.de/informationen/richtlinien/12/) gesetzlich verankert.


  
Eine kurze Zusammenfassung vorweg


Da das Thema Heilmittel  sehr kompliziert ist habe ich eine kurze Zusammenfassung der „Probleme“  der Heilmittelverodnung erstellt.
Eine ausführliche Begründung der einzelnen hier erwähnten Punkte finden sie im Verlauf des Textes.

  
Für die Verordnung  medizinischer Heilmittel verlangt Ihre Krankenkasse bestimmte Regeln,  die in der „Heilmittelverordnung“ verbindlich festgelegt sind:

  •  Am Beginn einer Heilmittelverordnung steht die Frage ob Ihre  Krankenkasse zuständig ist. Das ist bei allen medizinischen Störungen  und Krankheitsbildern der Fall.
  • Heilmittelverordnungen erfolgen nur aufgrund einer ärztlich festgestellten Erkrankung/Störung mit entsprechender therapeutischer Indikation für Heilmittel.
  •  Heilmittel bei Kindern werden nicht verordnet, wenn heilpädagogische-,  sonderpädagogische- und psychologische Maßnahmen im Vordergrund stehen.  Isolierte Lernstörungen oder Störungen wie Lese- und  Rechtschreibschwäche fallen ebenfalls in diese Kategorie. In diesen  Fällen sind das Schulsystem und das Jugendamt zuständig Hilfestellung zu  geben.
  •  Allgemein gehaltene pädagogische Begriffe wie Entwicklungsverzögerung,  Wahrnehmungsstörung, Konzentrationsmangel oder sensorische  Integrationsstörung werden von den Krankenkassen nicht als medizinische  Diagnosen anerkannt. Hier sind die Lehrer und Erzieher in der Pflicht  (pädagogische Förderung).
  • Heilmittel dürfen nicht zur allgemeinen Förderung eines Kindes und nicht ohne klare Zielvorgabe an den Therapeuten verordnet werden.
  •  Die Therapieziele müssen konkret sein: Man muss sie realistisch in  einer bestimmten Zeit erreichen können und das Kind muss motiviert sein.
  •  Die Therapieziele müssen klar überprüfbar sein: Wie bei der Verordnung  eines Medikaments müssen sich Arzt und Eltern überlegen, was in welcher  Zeit erreicht werden soll und wie man den Therapieerfolg überprüft.
  •  Im Gegensatz zu einer pädagogischen Förderung (Fernziele) sind  medizinisch verordnete Therapien stets zeitlich begrenzt (Nahziele).
  •  Für eine Heilmitteltherapie sind die Eltern einzubinden. Es ist ein  Qualitätsmerkmal einer Heilmittelpraxis „Hausaufgaben“ zur Umsetzung der  Therapieziele im Familienalltag zu vergeben. Diese Anforderung an die  Familie zur aktiven Mitwirkung ist notwendig und erfüllt eine wichtige  Forderung der „Heilmittelrichtlinien“.
  • Ein Hausbesuch darf nur verordnet werden, wenn ein Besuch der Praxis (z.B. des Logopäden) aus medizinischen Gründen  nicht erfolgen kann. Die Behandlung in einer Einrichtung (z. B.  tagesstrukturierende Fördereinrichtung, Kindergarten, etc.) allein ist  keine ausreichende Begründung für die Verordnung eines Hausbesuchs.
  • Eine Therapie darf nur ausnahmsweise außerhalb der Praxis erfolgen, wenn eine besondere Schwere und Langfristigkeit der funktionellen/strukturellen Schädigungen das Kind besteht und dieses ganztägig  in einer Fördereinrichtung untergebracht ist. Ein Integrationsstatus  und der Besuch eines Kindergartens (auch eines Sprachheilkindergartens)  ist hiermit nicht gemeint.
  •  Die Leistungen für gesetzlich krankenversicherte Patienten müssen der  Regel „wirtschaftlich, ausreichend, notwendig und zweckmäßig“ folgen.  Eine optimale Versorgung ist leider nicht von den Krankenkassen  vorgesehen. An dieser Vorgabe wird das Verordnungsverhalten eines Arztes  in der Heilmittelprüfung durch Krankenkassen gemessen.


  
Empfehlungen von Betreuungseinrichtungen (Kita/Schule):


Immer wieder werden von  uns Heilmittelverordnungen angefordert, nachdem die Behandlung von  Kindergärten/Schulen oder Anderen empfohlen wurde. Manchmal sogar  nachdem eine Behandlung bereits durch die Eltern eingeleitet wurde. Wir sind natürlich für  die Hinweise der Betreuer in den Kindergärten oder Schulen dankbar. Da  sie viel Zeit mit den Kindern verbringen und diese intensiv beobachten,  erkennen Sie Störungen oft sehr früh. Die Prüfung, ob eine wirklich  behandlungsbedürftige Erkrankung oder Störung vorliegt, obliegt jedoch  dem Kinderarzt. Viele „Auffälligkeiten“  entpuppen sich bei näherer Betrachtung häufig als Entwicklung im  normalen Spektrum, denn die kindliche Entwicklung verläuft sehr häufig  nicht immer gradlinig und mit anderen Kindern vergleichbar.

 
Da wir die Hinweise und  Empfehlungen der Betreuer sehr ernst nehmen, werden wir in Absprache mit  Ihnen eine differenzierte Diagnostik vornehmen, bevor eine Behandlung eingeleitet werden kann. Diese Prüfung muss immer vor der Therapie stehen.

 
Sollten Lehrer, Betreuer  oder Erzieher auf ein Defizit bei ihrem Kind hingewiesen haben, so  bitten sie ihren Betreuer/Erzieher/Lehrer dieses Defizit und seine  Beobachtungen schriftlich zu fixieren und bringen sie dieses Schreiben  zur Vorstellung bei uns mit.

 
Nachträglich ist es uns nicht  möglich, eine bereits durch Eltern eingeleitete Heilmittelbehandlung zu  sanktionieren. Hiervon sind auch Vorstellungen bei uns betroffen, wo  Behandlungstermine in Kürze bevorstehen, da diese von Eltern bereits  organisiert wurden („die Wartezeiten sind ja immer so lang aber es war  gerade heute/morgen noch ein Termin frei und jetzt fehlt „nur noch die  Verordnung“).

 
Wir können leider auf von  Eltern organisierte Termine (ohne ärztliche Indikationsstellung) keine  Rücksicht nehmen und bitten Sie hier um Verständnis. Bitte vereinbaren  Sie erst nach Stellung der Indikation durch uns einen Termin bei ihrem  Heilmittelerbringer (Logopäden, Ergotherapeuten oder Physiotherapeuten).

 
Bitte haben Sie dafür  Verständnis, denn wir als Kinderärzte haften den Krankenkassen gegenüber  für die korrekte Ausstellung von Heilmittelverordnungen mit unserem  privaten Geld (sogenannte Regresse).

 
Heilmittelrichtlinie §3 (3): Die  Verordnung von Heilmitteln kann nur erfolgen, wenn sich die behandelnde  Vertragsärztin oder der behandelnde Vertragsarzt von dem Zustand der  oder des Kranken überzeugt, diesen dokumentiert und sich  erforderlichenfalls über die persönlichen Lebensumstände informiert hat  oder wenn ihr oder ihm diese aus der laufenden Behandlung bekannt sind.


 
Wann dürfen Heilmittel verordnet werden?


Heilmittel dürfen nur bei  Erkrankungen und Störungen der Entwicklung, nicht aber bei „Schwächen“  verordnet werden. Allgemein gehaltene pädagogische Begriffe wie  Entwicklungsverzögerung, Wahrnehmungsstörung, Konzentrationsmangel oder  sensorische Integrationsstörung werden von den Krankenkassen nicht als  medizinische Diagnosen anerkannt und sind somit auch keine Indikation  für die Verordnung eines Heilmittels.

 
Die Heilmittelrichtlinien  sprechen ausdrücklich nur von einer ausreichenden und wirtschaftlichen  Verordnungsweise und nicht von einer optimalen! Wir als Kinderärzte  haben vollstes Verständnis für den Fördergedanken von Eltern, die ihren  Kindern die optimalen Chancen im Leben ermöglichen möchten. Heilmittel  sind jedoch keine Förderwerkzeuge sondern Therapien für Störungen und  Erkrankungen.

  
Heilmittelrichtlinie §3 (2): „Heilmittel können zu Lasten der Krankenkassen nur verordnet werden, wenn sie notwendig sind, um

     
  • eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern,
  •  
  • eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen,
  •  
  • einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegenzuwirken, oder
  •  
  • Pflegebedürftigkeit zu vermeiden oder zu mindern.“

 
Folgeverordnungen können nicht einfach über das  Telefon bei uns bestellt werden, es muss ein Therapiebericht vom  Therapeuten bei uns vorliegen. Ohne Therapiebericht können wir keine  Folgeverordnung ausstellen.

 
Heilmittelrichtlinie §7 (11): Folgeverordnungen  sind nach Maßgabe des Heilmittelkatalogs nur zulässig, wenn sich die  behandelnde Vertragsärztin oder der behandelnde Vertragsarzt zuvor  erneut vom Zustand der Patientin oder des Patienten überzeugt hat. 2 Bei  der Entscheidung des Vertragsarztes über Folgeverordnungen sind der  bisherige Therapieverlauf sowie zwischenzeitlich erhobene Befunde zu  berücksichtigen.“


 
Woran erkenne ich eine gute Heilmitteltherapie?


Zu den Grundlagen der  Heilmitteltherapie gehört das aktive Mitwirken des Patienten und dessen  Eltern an den Behandlungsmaßnahmen. Dies bedeutet, dass sie als Eltern  in die Therapie ihres Kindes unmittelbar mit eingebunden werden müssen.  Sie sollten regelmäßig den Therapieeinheiten ihres Kindes beiwohnen um  zu sehen wie und woran mit ihrem Kind gearbeitet wird. Regelmäßige  Übungen zu Hause („Hausaufgaben“) sind obligater Bestandteil  einer Therapie. Verbesserungen von Defiziten erreichen sie nämlich  nicht durch 45 Minuten Therapie 1-2x/Woche, sondern in der täglichen  Anwendung im Alltag bei ihnen in der Familie. Therapeuten, die sie nicht  aktiv in die Therapie einbinden (z.B. keine Hausaufgaben vergeben),  werden von uns nicht weiter unterstützt!

 
Heilmittelrichtlinie §1 Grundlagen (8): „Vertragsärztinnen  und Vertragsärzte sowie Krankenkassen haben darauf hinzuwirken, dass  die Versicherten eigenverantwortlich durch gesundheitsbewusste  Lebensführung, durch frühzeitige Beteiligung an Vorsorge- und aktive Mitwirkung an Behandlungsmaßnahmen dazu beitragen, Krankheiten zu verhindern und deren Verlauf und Folgen zu mildern.“


 
Heilmitteltherapie in Schulen und Kindergärten


Die häufig geforderten  und oder gewünschten Therapien im Kindergarten/Schule stehen der oben  erwähnten Grundlagenbedingung des aktiven Mitwirkens der Eltern fast  vollständig entgegen. Aus diesem Grund werden Therapien (Ergo-, Logo-  oder Physiotherapie) im Kindergarten von uns (mit ganz wenigen Ausnahmen  wie z.B. bei behinderten Kindern mit ganztägiger Betreuung in  Fördereinrichtungen) nicht verordnet. Die Heilmittelrichtlinie  erlaubt eine Therapie außerhalb der Praxis des Therapeuten als  Hausbesuch nur, wenn ein Besuch der Praxis aus medizinischen Gründen  nicht erfolgen kann.

 
Heilmittelrichtlinie §11 (2): Die  Verordnung der Heilmittelerbringung außerhalb der Praxis der  Therapeutin oder des Therapeuten ist nur dann zulässig, wenn die  Patientin oder der Patient aus medizinischen Gründen die Therapeutin  oder den Therapeuten nicht aufsuchen kann oder wenn sie aus  medizinischen Gründen zwingend notwendig ist. 2 Die Behandlung in einer  Einrichtung (z. B. tagesstrukturierende Fördereinrichtung) allein ist  keine ausreichende Begründung für die Verordnung eines Hausbesuchs.[…]“

 
Ohne Verordnung eines Hausbesuches darf die Therapie nur in Ausnahmefällen  außerhalb der Praxis erfolgen, wenn eine besondere Schwere und  Langfristigkeit der funktionellen/strukturellen Schädigungen sowie der  Beeinträchtigungen der Aktivitäten des Kindes besteht und dieses  ganztägig in einer auf Förderung ausgerichteten Tageseinrichtung  untergebracht ist. Dies trifft in aller Regel nur auf körperlich  und/oder geistig behinderte Kinder in Tageseinrichtungen zu. Der Besuch  eines „Sprachheilkindergarten“ oder ein Integrationsstatus des Kindes  reicht zur Verordnung nicht aus.

 
Heilmittelrichtlinie §11 (2): Ohne  Verordnung eines Hausbesuchs ist die Behandlung außerhalb der Praxis  des Therapeuten oder der Therapeutin ausnahmsweise für Kinder und  Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr, ggf. darüber hinaus bis  zum Abschluss der bereits begonnenen schulischen Ausbildung möglich, die  ganztägig in einer auf deren Förderung ausgerichteten Tageseinrichtung  untergebracht sind, soweit § 6 Absatz 2 dem nicht entgegensteht. 4  Voraussetzung ist, dass sich aus der ärztlichen Begründung eine  besondere Schwere und Langfristigkeit der funktionellen/ strukturellen  Schädigungen sowie der Beeinträchtigungen der Aktivitäten ergibt und die  Tageseinrichtung auf die Förderung dieses Personenkreises ausgerichtet  ist und die Behandlung in diesen Einrichtungen durchgeführt wird.“


 
Was bedeutet eigentlich Budgetierung und Regress?


Verordnungen von  Heilmitteln sind für die meisten Fachärzte (also auch für uns  Kinderärzte) budgetiert. Dies bedeutet, ein Kinderarzt darf pro Quartal  (3 Monate) nicht mehr als 25% an Heilmitteln mehr verordnen, als der  Durchschnitt seiner Kollegen in diesem Quartal verordnet. Die  Verordnungszahlen seiner Praxis werden dem Arzt ein Jahr später von der kassenärztlichen Vereinigung mitgeteilt. Eine Prüfung durch die Krankenkassen erfolgt in der Regel drei Jahre später.  Verordnet ein Arzt mehr als 25% als sein Gruppendurchschnitt in einem  Quartal kann er in eine genauere Prüfung kommen und muss dann jede  einzelne Verordnung belegen und begründen und sein Verordnungsverhalten  an den Heilmittelrichtlinien messen lassen. Oberstes Gebot für den Arzt  hierbei ist: Verordnungen müssen ausreichend, zweckmäßig und  wirtschaftlich sein. Dieses steht im ersten Absatz des ersten Paragrafen  der Heilmittelrichtlinie.

 
Dieses System ist  absichtlich sehr undurchsichtig und schlecht nachprüfbar gehalten, um  Verordnungsmengen so gering wie möglich zu halten, da Ärzten permanent  ein möglicher Regress droht, der durchaus den finanziellen Ruin bedeuten  kann.

 
Heilmittelrichtlinie §1 (1): Die  vom Gemeinsamen Bundesausschuss gemäß § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 und  Absatz 6 in Verbindung mit § 138 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch  (SGB V) beschlossene Richtlinie dient der Sicherung einer nach den  Regeln der ärztlichen Kunst und unter Berücksichtigung des allgemein  anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse ausreichenden,  zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit  Heilmitteln.“

 
Findet die Krankenkasse  eine Heilmittelverordnung, die nicht allen Kriterien der  Heilmittelrichtlinie entspricht (z.B. Diagnose erlaubt keine Verordnung  eines Heilmittels [Klassiker: Ergotherapie bei  Konzentrationsschwierigkeiten], zu viele Einheiten für die Diagnose  verordnet, Hausbesuch ohne medizinische Indikation verordnet, Verlauf  oder Indikation nicht gut dokumentiert, etc.), so muss der Arzt die  Kosten des „fälschlich“ verordneten Heilmittels aus seiner Tasche an die  Krankenkasse zurückzahlen. Hier kommen schnell mehrere 10.000€  zusammen.

 
Haben Sie darum bitte  Verständnis, wenn wir als verordnende Ärzte die Indikation für eine  Heilmittelverordnung sehr genau prüfen und diese manchmal auch ablehnen  müssen.


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